Risse in der Fassade – Warum bloß?
Es scheint so, als ob Risse keinen Respekt vor neu, alt, groß oder klein haben. Egal, ob es das repräsentative Schloss, das mehrgeschossige Wohnhaus, das schmucke Einfamilienhaus oder der ältere Gewerbebau ist, in vielen Gebäuden finden sich kleinere oder größere Risse in der Fassade. Besonders ärgerlich ist es aber, wenn das eigene Wohngebäude betroffen ist.
Betrachtet man die große Anzahl an Fachbüchern und die unzähligen Informationen im Internet zum Thema Risse in der Fassade (Fassadenrisse), müsste doch eigentlich auch das letzte Rissproblem gelöst sein?
Rissarten
Die unmittelbare Ursache für eine Rissbildung in der Putz-, Beton- oder auch Holzfassade ist immer das Auftreten von Zugspannungen, die die Festigkeit des Materials überschreiten. Was sich sehr einfach anhört, gestaltet sich in der Praxis bei der Ursachenfeststellung deutlich komplizierter. Um die Kräfte, die die Rissspannungen auslösen, näher lokalisieren zu können, werden Risse in verschiedene Arten eingeteilt.
Als putzbedingte Risse bezeichnet man dabei Risse, deren Ursache im Putz zu finden sind. Dies kann einerseits ein falsch abgestimmter Putzmörtel und andererseits dessen Verarbeitung auf der Baustelle sein. Zur Verarbeitung gehört auch der Schutz des frischen Putzes gegen zu schnelles Austrocknen z. B. durch Wind oder direkte Sonneneinstrahlung.
Lässt sich die Ursache für die Rissentstehung auf die Ebene zurückführen, die den Putz trägt, spricht man von untergrundbedingten Rissen. Das können beispielsweise Materialwechsel, nicht vollständig ausgefüllte Stoß- und Lagerfugen des Mauerwerks oder auch stark saugende Untergründe sein, die nicht ausreichend vorbehandelt wurden.
Die Abgrenzung der untergrundbedingten Risse von den konstruktiv bedingten Rissen ist nicht immer eindeutig. Bei den konstruktiv bedingten Rissen beginnt die Entstehung auch im Putzgrund, die eigentlichen Ursachen sind jedoch im Aufbau des Tragsystems zu finden. Dazu zählen behinderte Verformungen infolge Bauteilschwinden, Durchbiegungen, Temperaturdehnungen usw.
Grundsätzlich den konstruktiven Rissen zuzuordnen sind baugrundbedingte Risse. Da diese jedoch meist im Hinblick auf Schadenhöhe und -auswirkung erhebliche Folgen haben, werden sie oft gesondert beurteilt.
Neben den beschriebenen vier Rissarten finden sich auch weitere Bezeichnungen, die meist – ohne Kenntnis der Rissursache – eine plastischere Beschreibung ermöglichen sollen. Dies sind beispielsweise „Haarrisse“ für sehr feine Rissbilder oder Netzrisse, für Verläufe mit sich kreuzenden und abknickenden Rissen. Auch Beschreibungen, die auf handwerklicher Erfahrung bei der Verarbeitung basieren, wie z. B. Sackrisse oder Fettrisse, kommen gelegentlich zur Anwendung.
Sanierung von Rissen
Für den Bauwerkseigentümer ist es wenig befriedigend, wenn ihm die Rissarten der geschädigten Fassade beschrieben werden. Eine rissfreie Fassade sollte das Ziel sein oder wenigstens das erforderliche Sanierungsprinzip genannt werden. An diesem Punkt ist es jedoch von großer Bedeutung, wo die Ursache der Rissbildung liegt.
Während der Rissbildungsmechanismus von Putzrissen mit dem Aushärten meist abgeschlossen ist, können konstruktionsbedingte oder baugrundbedingte Risse anhaltend in Bewegung sein. Ein starrer Rissverschluss würde unweigerlich zu einer neuen Rissbildung führen. Bei einem untergrundbedingten Rissbild wird es hingegen wenig nachhaltig sein, einzelne Rissverläufe zu sanieren, wenn ein flächiges Problem vorliegt.
Eine sorgfältige und fundierte Untersuchung der Ursachen zeigt, ob eine Sanierung notwendig ist und sichert bei deren Ausführung auch den Erfolg der Maßnahme.
Für die Sanierung selbst stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. Häufig werden dabei die Merkblätter der „Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.“ herangezogen, die in Fachkreisen als WTA-Merkblätter bekannt sind. Diese sehen je nach Ursache beispielsweise Rissverfüllungen mit starren oder flexiblen Mörteln vor, zusätzliche Gewebeeinlagen, Verankerungen oder auch eine komplette Überarbeitung der Fassade.
Da sich eine Sanierung von Rissen in der fertigen Fassade nicht abzeichnen soll, handelt es sich um eine durchaus anspruchsvolle handwerkliche Aufgabe. Dieses Problem lösen auf den ersten Blick rissfüllende Farben oder Streichputze. Sie werden beispielsweise mit Pinseln im Rissverlauf aufgetragen, verfüllen die Risse und zeichnen sich kaum auf der Putzoberfläche ab. Es ist jedoch ratsam, vor Verwendung die genauen Produktdaten zu betrachten. Nicht selten sind hier sehr enge Grenzen in Bezug auf Rissweite und möglichen Rissbewegungen angegeben. Der langfristige Erfolg ist beim Überschreiten der Produktvorgaben gefährdet.
Empfehlung
Die zunehmende Produktvielfalt und die komplexeren Bauweisen führen dazu, dass auch in Zukunft nicht immer zielsicher störende Risse in der Fassade vermieden werden können. Vor deren Sanierung sollten jedoch die Ursachen ergründet werden, damit das passende Sanierungskonzept gewählt und dessen Erfolg gesichert werden kann. Sollten Sie unabhängigen Rat brauchen, werden Sie von den Handwerkskammern bei der Suche nach einem geeigneten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen untersützt.